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Enterprise Process Orchestration: Interview mit Autor Leon Strauch

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Björn Richerzhagen: Heute habe ich Leon Strauch zu Gast, ein ehemaliger Kollege bei der Camunda Services GmbH in Berlin und langer Wegbegleiter. Wir wollen über sein Buch sprechen, dass er zusammen mit Bernd Rücker geschrieben hat. Leon, herzlich willkommen! Sei so nett und stell dich in 3 Sätzen kurz vor.

Leon Strauch: Hi Björn, vielen Dank für die für die Einladung. Ich freue mich sehr, hier zu sein. Mein Name ist Leon, ich bin ‚Process Orchestration Strategist‘ bei Camunda. Dies ist nicht der geläufigste Jobtitel. Diesen kannte ich bis vor einem halben Jahr selbst noch nicht in der Form, aber wie ich finde, eine sehr spannende Rolle. Ich bin verantwortlich für unser ‚Process Orchestration Adoption Framework‘, eine Methode wie Organisationen ‚Process Orchestration‘ wunderbar einführen und skalieren können – in diesem Kontext haben wir das Buch gemeinsam geschrieben, Bernd und ich. Meine Rolle ist es, Prinzipien und Methoden nutzbar zu machen für unsere Kunden, damit sie effektiv skalieren und ihr Geschäft damit transformieren können. Ich bin in unserer Consultingorganisation aufgehangen, seit rund 4 Jahren dabei und ansässig in Berlin. Ich freue mich auf die Unterhaltung.

Björn Richerzhagen: Herzlichen Dank. Du hast schon gesagt, warum ihr das Buch geschrieben habt, aber erzähl doch vielleicht mal kurz was zu dem ‚market need‘. Ihr seid nun vornehmlich Software-Anbieter, musstet ihr in einem Buch beschreiben, wie eure Kunden ein ‚scale up‘ hinkriegen?

Leon Strauch: In aller Kürze gesagt: Es geht im Prinzip darum, unseren Kunden und dem Markt Impulse mitzugeben, wie man erfolgreich skaliert. Wir haben mehr als 500 Enterprise-Kunden und haben in der Zwischenzeit jetzt sehr, sehr viele Setups gesehen, in denen Kunden in sehr großen Maßstab transformiert haben. Wir haben aber auch gesehen, wo es nicht so gut funktioniert hat. Genau diese ‚best practices‘ wollten wir destillieren und nutzbar machen. Wir merken, dass man einfach mehr als nur eine Technologie braucht, um Prozessorchestrierung erfolgreich einzuführen. Klar, Technologie ist wichtig. […] Wir müssen über den Tellerrand gucken, weil Transformation eben mehr als nur eine Technologie ist. Und was dieses mehr ist, haben wir in diesem Buch festgehalten.

Vor einigen Jahren haben wir damit angefangen, Muster zu erkennen und festzuhalten. Das fing an mit einem ‚center of excellence‘ und welche Rolle es spielt für erfolgreiche Skalierung. Da hängt da viel mehr dran, hängt Methodik dran, hängt eine Vision dran und darüber haben wir dann ein Buch geschrieben, um eben unsere Kunden dabei zu unterstützen, das zu skalieren.

Björn Richerzhagen: Das Buch heißt „Enterprise Process Orchestration“. Den Begriff ‚process orchestration‘ hat Camunda so ein bisschen geprägt. Kannst du mal den Unterschied zwischen Prozessautomatisierung und Prozessorchestration kurz darlegen?

Leon Strauch: Der Unterschied zwischen Prozessautomatisierung und Orchestrierung ist, dass Orchestrierung ein ‚subset‘ von Automatisierung ist. Wenn wir über Automatisierung nachdenken, dann denken wir über ‚task automation‘ nach, das heißt über einzelne Aufgaben in einem Prozess, sozusagen Endpunkte. ‚Orchestration‘ ist dann der Layer, der sich dann darüberlegt, der Dirigent, der allen Systemen und Endpunkten sagt, wann was zu tun ist.

Vielleicht auch noch wichtig zu sagen, dass Prozessorchestrierung nicht immer heißt, dass Prozesse zu 100% automatisiert sein müssen, sondern auch Sachbearbeiter und Nutzer in den Prozess einbezogen werden können. Eine 100% Automatisierungsrate ist nicht immer gegeben. Der Prozess läuft reibungsloser, läuft schneller, in der Regel, er läuft besser. Die Effizienz und auch die Geschäftsagilität wird erhöht, weil du deine Prozesse besser ändern kannst über einen Ende-zu-Ende-Fluss, der in der Regel in BPMN umgesetzt ist.

Björn Richerzhagen: Geht das nur mit Camunda-Produkten? Geht das auch mit anderen und wenn das nur mit Camunda geht, was sind da Spezialitäten, die das Produkt in Hinsicht auf Process Orchestration besonders macht?

Leon Strauch: Ich würde gerne sagen, es geht nur mit Camunda, aber es gibt natürlich noch andere Anbieter. Es ist ein Markt, der sich gerade sehr stark entwickelt. Effizienzanforderungen, genau deswegen brauchst du ja hauptsächlich Automatisierung, die bislang als Punktlösungen umgesetzt wurden, haben noch keine Orchestrierung.

Aber genau da gibt es eben andere Anbieter, die das auch machen und die Grundunterscheidung ist wie offen und entwicklerfreundlich dein Ansatz ist. Bei uns hat sich herauskristallisiert, dass, wenn du wirklich erfolgreich eine Ende zu Ende orchestrieren möchtest, du eine offene Architektur haben musst, die sich nahtlos in deine IT-Umgebung integriert. […] Wenn du eine Bank bist, die ihre ganzen Prozesse auf der Engine hat, dann musst diese entsprechend die Last auch bewältigen. Aber Skalierbarkeit bedeutet auch die organisatorische Skalierbarkeit. Das heißt, wie kann man möglichst viele Nutzer onboarden? Und die dritte Komponente, die wichtig ist, ist Business und IT zusammenzubringen über BPMN als Notation, die eben von allen Seiten verstanden wird, ist so ein anderer Ansatz.
Der Gegenpol sind proprietäre Lösungen, die vielleicht monolithischer daherkommen, die vielleicht auch eigene Sprachen haben und die kein BPMN nutzen. Vielleicht ein bisschen schnelles ‚ramp up‘ haben, weil es weniger Eigenentwicklung erfordert, aber dafür dann tendenziell eher technische Schulden aufbauen, unflexibel werden im Laufe der Zeit [..]. Das war jetzt eine längere Antwort auf deine Frage. Ich weiß nicht, ob das deine Frage beantwortet.

Björn Richerzhagen: Ja, ich. Ich denke, dass er das beantwortet hat. Das hat bereits was mit meiner nächsten Frage zu tun. Ihr habt das Ganze ja ‚Enterprise Process Orchestration‘ genannt. ‚Enterprise‘ suggeriert mir, dass wir von größeren Unternehmen reden. Ab wann macht denn ‚Enterprise Orchestration‘ überhaupt Sinn? Ist das für alle Unternehmensgrößen? Habt ihr da bestimmte Branchen im Blick? Erzähl vielleicht mal was zu der Zielgruppe, die ihr mit diesem Buch vielleicht im Auge hattet.

Leon Strauch: Ja. ‚Enterprise‘ suggeriert ein Stück weit große Unternehmen. Wenn man im Enterprise Segment ist, dann meint man in der Regel die großen globalen Organisationen. Grundsätzlich profitieren diese Art von Organisationen besonders stark vom Prozessorchestration, weil sie eben besonders komplex, besonders groß sind und besonders viel Mehrwerte heben können. Das heißt auch, dass die Konzerne vielleicht ein bisschen größere Herausforderungen haben als die Startups, die auf der grünen Wiese gestartet sind. Das Buch ist gedacht für Unternehmen jedweder Couleur, die sich mit Prozessorchestrierung beschäftigen.

Prozessorchestration und Prozessautomatisierung ist für jede Organisation relevant. Da muss sich jeder mit beschäftigen, wenn er wettbewerbsfähig bleiben will. Dementsprechend machen wir da keinen Unterschied in der Organisationsgröße, wobei man schon sagen muss, dass die Herausforderung, wie gesagt, steigen, je größer man ist. [..] Lange Rede, kurzer Sinn, es ist eigentlich für alle Organisationen gedacht, die sich in Prozessorchestrierungen beschäftigen.

Björn Richerzhagen: Also ich fasse mal in meinen Worten zusammen: Prozessorchestration hilft bei der Komplexitätsreduktion auf der einen Seite, weil ich verschiedene Endpunkte zusammenfassen kann. Auf der anderen Seite Steigerung meiner Flexibilität, weil ich durch die offene Architektur und durch Modellierungsstandards wie BPMN viel schneller Änderungen umsetzen kann. Habe ich das richtig verstanden?

Leon Strauch: Absolut, genau. Das ist der Grund, warum Prozessorchestration mittlerweile auf dem Radar von den großen Analysten sind. Vieleicht hast du den Begriff ‚BOAT‘ gehört von Gartner, also ‚Business Orchestration, Automation Technology‘. Der Begriff setzt Orchestrierung als Herzstück von einem ‚automation stack‘ an. Und der Grund ist, warum das jetzt relevant ist, dass Organisationen lange Zeit wirklich nur lokal automatisiert haben, vielleicht in einzelnen Teams in einzelnen Applikationen. Dann gab es dann hier mal ein SAP, dann gab es vielleicht einen RPA bot, dann gibt es hier vielleicht noch gewisse Batch Jobs, die irgendwo laufen auf dem Legacy System. Und all diese Punkte müssen irgendwie miteinander integriert werden, weil wenn sie nicht integriert werden, fehlte die Transparenz in dem Prozess. Du baust technische Schulden auf und dementsprechend kannst du diese Effizienzen, die du durch diese Automatisierung gehoben hast, eigentlich gar nicht strategisch nutzbar machen. Und da kommt dann eben genau das Thema ins Spiel, was du gerade angesprochen hast. Flexibilität, Sichtbarkeit durch Orchestrierung, die in der Lage ist, diese Endpunkte zu steuern und dann auch graduell vielleicht zu modernisieren. […] Und somit können eben Organisationen auch technische Schulden abbauen und entsprechend auf den digitalen Wandel besser reagieren.

Björn Richerzhagen: Du hast gerade ein Stichwort gesagt, Strategie. So habt ihr doch das Buch aufgebaut. Abgeleitet aus einer übergeordneten Vision brecht ihr herunter über Menschen, die involviert sind, und natürlich die Technologie, die eingesetzt werden soll. Am Ende geht ihr auf das Thema Kennzahlen und Messungen ein. Da habt ihr insbesondere 2 Kennzahlen rausgestellt. Das eine ist das Thema ‚value‘. Value Management scheint in meiner Wahrnehmung gerade bei euch ein bisschen an Bedeutung gewonnen zu haben, auch in der Kommunikation. Die andere Kennzahl, auf die ihr abzielt, ist das Thema ‚maturity‘, also ein Reifegrad, der da ausgewiesen wird. Erzähl doch mal, warum sind diese beiden Kennzahlen wichtig und wie können die beeinflusst werden durch die Überlegung in diesem Buch?

Leon Strauch: Ja, es sind sehr viele spannende Punkte in der Frage drin. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, vielleicht mit einer kleinen Anekdote. Ich war heute auf Linkedin unterwegs und dann habe ich deinen Kollegen Mirko gesehen, der einen ROI-Kalkulator gepostet hat. Den habe ich mir gleich angeguckt und fand ihn sehr spannend.

Für, die, die es nicht kennen. Björn und Team haben einen ROI-Kalkulator entwickelt, damit man die erwarteten Benefits des Prozesses erkennen kann, die jeweiligen Kosten gegenüberstellen kann und dann entsprechende Kalkulationen machen kann.

Björn Richerzhagen: Danke für die Querverweis.

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